Apfelschorf

Deutscher Name: Apfelschorf
Wissenschaftlicher Name: Venturia inaequalis

Schorfpilze sind weltweit verbreitete Krankheitserreger im Obstanbau. Neben Apfel werden auch Birne, Kirsche, Pfirsich und viele weitere Obstarten befallen. Der Erreger des Apfelschorfes Venturia inaequalis ist der bedeutendste unter ihnen. Seine hohe Vermehrungsrate und daraus abgeleitet sein epidemisches Auftreten machen ihn in humiden Klimaten zum bedeutendsten Krankheitserreger im Apfelanbau. So auch am Bodensee mit den ausgeprägten Niederschlägen in der Vegetation . Über die Hälfte aller Behandlungen entfallen dort auf die Schorfbekämpfung. Die Infektion ist stark witterungsabhängig; die entscheidenden Parameter sind Blattnassdauer und Temperatur. Infiziert werden alle oberirdischen Pflanzenteile, deren Abschlussgewebe noch nicht verkorkt ist (Blätter, Früchte, Blüten, etc.). Ein Befall führt zu Ertragsausfällen und erheblichen Qualitätsverlusten der Äpfel, zumal der Markt schorfige Äpfel als Mostobst einstuft. Bei stärkerem Befall über mehrere Jahre kann der Apfelbaum auch absterben. Dem kann entgegengewirkt werden. Vorbeugende Maßnahmen wie Förderung des Falllaubabbaus, lichter Baumschnitt, Standortwahl und eine ausgewogene Düngung helfen, den Befall niedrig zu halten. Der Sortenwahl kommt hier eine besondere Bedeutung zu. Es gibt bereits einige resistente Sorten die bezüglich Aussehen, Geschmack und Lagerverhalten durchaus mit dem Standard-Sortiment vergleichbar sind. Eine Kombination von vorbeugenden Spritzungen (vor Niederschlägen) und Kurativmaßnahmen während der Ascosporenphase im Frühjahr senken das Risiko für Konidieninfektionen im (Früh)Sommer und Herbst.

Namensgebung
Den Gattungsnamen Venturia erhielt der Pilz zu Ehren des italienischen Pilzforschers Antonio Venturi (1805-1864). Der Artname inaequalis geht auf die Überwinterungsform zurück; sie besitzt zwei ungleich große Sporen (Doppelspore).

Biologie

Der Erreger des Apfelschorfs kann auf zweierlei Weisen überwintern: saprophytisch im Falllaub oder parasitisch am Baum. Beide Überwinterungsformen gelten als gefährliche Infektionsquellen im Frühjahr. Während der Überwinterungsphase bildet der Pilz im Falllaub Pseudothecien aus. Dies sind schwarze rundliche Fruchtkörper mit einer Größe von etwa 0,2 mm. Im Innern entwickeln sich auf geschlechtlichem Wege Sporenschläuche mit jeweils acht Ascosporen. Im März beginnen diese auszureifen.

Primärsaison
Nach längerem Regen und starker Durchfeuchtung der Blätter werden die Ascosporen ausgeschleudert und gelangen mittels Wind und Regen auf die empfindlichen Pflanzenorgane. Ascosporenflug und Baumaustrieb fallen zeitlich häufig zusammen. Zudem geht meist der Beginn der Forsythienblüte mit dem ersten Auftreten von Ascosporen einher. Das stufenweise Reifen der Fruchtkörper auf dem Falllaub ermöglicht dem Pilz, über mehrere Wochen hinweg Ascosporen auszuschleudern und so immer wieder neue Infektionen auszulösen. Gute Infektionsbedingungen liegen bei Temperaturen im Bereich von 16-22°C und gleichzeitig länger anhaltender Blattnässe vor. Längere Trockenzeit verzögert bzw. unterbricht den Keimvorgang. Die Höhe des Ascosporenausstoßes ist stark lichtgebunden; in der Nacht werden daher nur wenig Sporen freigesetzt. Auch verringern niedrige Temperaturen nach warmen Phasen erneut den Ausstoß. Sind gute Keimbedingungen vorhanden kommt es zu Primärinfektionen.

Sekundärsaison
Der Pilz breitet sich nun, vor Trockenheit geschützt, strahlenförmig zwischen Kutikula und Epidermis der infizierten Pflanzenorgane aus. Dort lebt er den Sommer über obligat parasitisch ohne tiefer in das Pflanzengewebe einzudringen. Wenige Tage nach gelungener Infektion entwickeln sich unter der Kutikula Konidienlager mit Konidien. Letztgenannte sind birnenförmig und haben eine Größe von 20-30 x 6-9 μm. Konidien sind aufgrund ihrer schnellen Generationsfolge für das epidemieartige Schorfaufkommen in der Obstanlage verantwortlich. Ein Schorffleck kann bis zu 10.000 Konidien produzieren. Diese werden mittels Regenspritzern und herabfließendem Regenwasser innerhalb des Baumes bzw. im engeren Bestand auf Blätter und Früchte verteilt. Dort verursachen sie bei anhaltender Feuchtigkeit und Temperaturen zwischen 11-22°C weitere Infektionen, die Sekundärinfektionen. Herrscht trockene und warme Witterung, kommen die Infektionen zumindest vorübergehend zum Erliegen. Sekundärinfektionen können nur durch Konidien ausgelöst werden. Sie treten hauptsächlich im Mai und Juni auf. Bei Vorliegen günstiger Infektionsbedingungen sind Sekundärinfektionen bis in den Herbst hinein möglich. Sie laufen schneller ab als Primärinfektionen. Die Befallshöhe hängt vom Sporenangebot und vom Entwicklungsstadium der Pflanzenorgane bzw. deren Befallsbereitschaft ab. In Ausnahmefällen können Konidien auch Primärinfektionen auslösen (Triebbasisschorf). Mit dem Laubfall im Herbst wird das Mycelwachstum aktiviert, die Pilzhyphen dringen tiefer in die Blätter ein und die saprophytische Phase beginnt von neuem.

Symptome

Der Apfelschorferreger kann alle oberirdischen Teile von Apfelbäumen, deren Abschlussgewebe noch nicht verkorkt ist, befallen.

Blattschorf
Hauptziel von Schorfinfektionen sind die Laubblätter. Während ihrer Entwicklung sind sie stark schorfgefährdet, mit zunehmendem Alter werden sie resistent. Diese Altersresistenz schwächt sich zur Ernte hin wieder ab. Die größte hochempfindliche Blattangriffsfläche der ganzen Saison liegt kurz vor der Blüte. Zu diesem Zeitpunkt ist der Neuzuwachs an Blättern am höchsten. Schäden werden auf zweierlei Weise hervorgerufen: zum einen durch den Verlust an Assimilationsfläche, zum anderen stellen schorfinfizierte Blätter Quellen für weitere Primär- und Sekundärinfektionen dar. Schorfbefall an jungen Blättern tritt meist an der Blattoberseite auf. Hier entstehen rundliche, etwas aufgewölbte Flecken mit einer Fläche von 0,5-1,0 cm², die einzeln oder zusammenfließend vorkommen. Anfänglich sind sie matt olivgrün, später samtartig schwarz, zuletzt austrocknend fahl graubraun. Bei starkem Befall wird das Blatt vorzeitig abgeworfen. Schorfbefall an älteren Blättern zeigt sich in einem diffus oder fleckigen, schwärzlichen Überzug an der Blattunterseite. Je nach Jahr verlieren schorfempfindliche Sorten bereits im Sommer den Großteil ihrer Blätter.

Fruchtschorf
Neben den Laubblättern werden die Früchte am häufigsten befallen. Fruchtbefall ist im jedem Entwicklungsstadium möglich, die empfindliche Phase liegt jedoch wie bei den Laubblättern im frühesten Jugendstadium. Höchste Infektionsgefahr ist um die Blüte gegeben. Im Monat Mai sind die Früchte besonders empfindlich, danach vermindert sich ihre Anfälligkeit stetig. Die notwendige Nässedauer für Infektionen kann dann bis zu 24h andauern. Der Befall zeigt sich an rundlichen Flecken, die matt, später tiefschwarz überzogen sind. Die Befallsstellen haben einen Durchmesser von wenigen Millimetern bis circa einem Zentimeter. Durch das Ablösen der Kutikula ist der Rand der Flecken silbrigweiß gefärbt. Die Flecken fließen häufig zusammen. Später verfärben sich die Befallsstellen vom Zentrum her graubraun, trocknen aus und verkorken allmählich.

Man unterscheidet:

  • Frühschorf

Frühbefallene Früchte werden rissig, da das erkrankte Gewebe im Unterschied zum Gesunden nicht mitwachsen kann. Bleibt eine Verkorkung der Wunden aus, werden diese häufig von Fäulniserregern besiedelt, bzw. fallen aufgrund hoher Wasserverluste ab.

  • Spätschorf

Im Sommer und Herbst infizierte Früchte zeigen keine Missbildungen mehr, da der Fruchtzuwachs in diesem Zeitraum nur noch sehr gering ist. Die Schorfflecken bleiben klein, entstehen aber in großer Anzahl.

  • Lagerschorf

Werden die Früchte kurz vor der Ernte infiziert, treten die Flecken erst im Lager auf. Die Befallsstellen sind punktförmig, stecknadelkopfgroß und matt schwarz glänzend. Infektionen im Herbst treten unter feuchten Witterungsbedingungen auf, vor allem bei den empfindlichen Sorten Golden Delicious, Gala und Cameo.

Schorf an Trieben
Bei den Trieben gilt: je jünger, desto anfälliger. Triebe sind über mehrere Wochen hochanfällig, da sie immer wieder nachwachsen und folglich immer neue, junge Abschnitte aufweisen. Am bedeutendsten ist der superfizielle Zweigschorf. Das Pilzmycel überwintert hierbei oberflächlich an den Triebspitzen nicht abgeschlossener Langtriebe und Knospen (Spätbefall). Der Triebschorf spielt generell als primäre Infektionsquelle eine große Rolle. Auf den befallenen Trieben bilden sich im folgenden Frühjahr gleich Konidien, die dann, neben den Ascosporen, für Primärinfektionen sorgen. Starkwüchsige Anlagen sind besonders gefährdet.

Schorf an sonstigen Pflanzenteilen
Die Kelchblätter sind das erste Grün, das im Frühjahr an Apfelbäumen zu sehen ist. Auch sie werden vom Apfelschorf angegriffen. Kurz nach dem Baumaustrieb besteht für die Kelchblätter die höchste Infektionsgefahr, sie gelten als die frühestmögliche Quelle für Sekundärinfektionen. Herrschen zu Austriebsbeginn günstige Infektionsbedingungen, kann sich der Pilz mittels Konidien frühzeitig in der Baumkrone ausbreiten. Kelchblattschorf kann zu frühzeitigem Abwerfen der Blüten führen. Er stellt auch eine effektive Infektionsquelle in allernächster Nähe zu den jungen, heranwachsenden Früchten dar. Folgeinfektionen führen zu Schorfflecken am Boden des Apfels. Schorfbefall an sonstigen Blütenteilen, wie Kronblätter, Staubblätter oder Griffel tritt sehr selten auf.

Kontrolle

Nach der Ascosporensaison sollten Mitte Juni erste Kontrollen auf befallene Blätter durchgeführt werden. Dieses Ergebnis ist ausschlaggebend für die weitere Bekämpfungsstrategie:

  • mit Schorf => Belagsstrategie; kurative Mittel und Strobilurine nicht mehr einsetzen
  • schorffrei => Zahl der Behandlungen im Sommer kann deutlich reduziert werden

Eine weitere Kontrolle im August ist sinnvoll, um die Spätschorfgefahr abschätzen zu können. Die Kontrolle der oberen Blätter der Langtriebe zur Ernte gibt einen Hinweis auf den Befallsdruck im nächsten Jahr.

Beeinflussungsfaktoren und vorbeugende Maßnahmen

Je nach den Witterungsbedingungen im Herbst und Frühjahr ist der Befallsdruck von Jahr zu Jahr recht unterschiedlich. Zur Senkung des Infektionsrisikos können vorbeugend einige Maßnahmen getroffen werden.

  • Förderung des Falllaubabbaus => Reduzierung des Ascosporenpotentials im Frühjahr

Möglichkeiten hierfür sind Harnstoffspritzungen zum Blattfall (nicht im Bio-Anbau!) und das Mulchen bzw. Einfräsen des alten Laubes. Gute Helfer bei der Falllaubzersetzung sind die Regenwürmer. Sie ziehen die abgefallenen, mit Fruchtkörpern besiedelten Blätter in den Boden, und verhindert so eine Weiterentwicklung des Pilzes. Zur Schonung dieser Bodentiere sollten schädliche Präparate (Kupfer!) gar nicht oder nur in geringen Mengen eingesetzt werden. Desweiteren sollte eine starke mechanische Bodenbearbeitung ausbleiben.

  • „Ruhig“ wachsende Bäume mit frühzeitigem Triebabschluss => Zeitraum mit hochanfälligen Pflanzenteilen wird verkürzt
    Dies wird erreicht durch:

eine bedarfsgerechte N-Düngung (30-40 kg N/ha und Jahr); das Hautgewebe wird zudem abwehrkräftiger ausgebildet ausgewogene Schnittmaßnahmen Sommerschnitt nicht zu früh durchführen (Mitte/Ende August)

  • Gute Durchlüftung

Der Apfelschorferreger ist bei der Infektion auf Feuchtigkeit angewiesen. Gute licht- und luftdurchlässige Baumreihen sorgen für ein schnelleres Abtrocknen der Pflanzenteile und erschweren somit die Infektion. Möglichkeiten hierfür sind weite Pflanzabstände und Schnittmaßnahmen, durch die ein lockerer Kronenaufbau geschaffen wird. Möglichst wenig Schnittmaßnahmen je Baum vornehmen, ganze Äste entfernen.

  • Sortenwahl

Es gibt einige schorfresistente Sorten, die in Bezug auf Aussehen, Geschmack und Lagerfähigkeit mit den herkömmlichen Sorten standhalten können. Die meisten unter ihnen sind Vf-resistent. Der Anbau schorfresistenter Sorten wird in Zukunft weiter ansteigen. In vielen Züchtungsprogrammen ist bereits heute die Suche nach Sorten mit Resistenzen gegen Schorf, Mehltau und Feuerbrand fester Bestandteil.

  • Standortwahl

Geschlossene Lagen und Gebiete mit hoher Nebelhäufigkeit sind, aufgrund langer Blattnässezeiten, zu vermeiden. Dies lässt sich im Bodenseegebiet nicht immer verwirklichen.

  • Falllaubsauger

Befallene Schorfblätter werden aus der Anlage entfernt, dadurch senkt sich das Ascosporenpotential im Frühjahr. Die Funktionsweise ist ähnlich einem Staubsauger: das Falllaub wird aufsaugt, in einen Fangkorb geblasen, aus der Anlage gebracht und anschließend kompostiert.

Was ist zu beachten:
> Falllaub zuvor nicht häckseln
> Winterschnitt erst danach durchführen ebene Fahrgasse und ebener Baumstreifen erforderlich
> keine größeren Hindernisse im Baumstreifen (Sockel von Hagelpfosten,....)
> Einsatz nur bei trockenem, frostfreien Wetter
> Guter Einsatzzeitpunkt ist im Februar. Dann sind die Blätter abgefallen und überwiegend verrottet. Ein Großteil organischer Substanz bleibt somit in der Anlage, nur wenig, aber dennoch infektiöses Falllaub wird mit dem Fangkorb entfernt. Nachteilig ist, dass auch Nützlinge aus der Anlage entfernt werden können, die in der Laubstreu überwintern.

Bekämpfung

Die erste Schorfbehandlung wird in der Regel zu Beginn oder kurz vor dem Ascosporenflug Ende März ausgebracht. Ziel ist, die bis etwa Ende Mai andauernde Ascosporensaison möglichst ohne Befall zu überstehen. Hierfür wird eine Kombination aus vorbeugenden „Belags- und Kontaktspritzungen“ und soweit noch möglich Kurativmaßnahmen empfohlen. Belagsspritzungen werden vor Niederschlägen und in Abhängigkeit vom Blattzuwachs ausgebracht. Wie der Name schon vermuten lässt, werden dabei alle infizierbaren Teile des Baumes durch einen geschlossenen Belag geschützt. Die Applikationstechnik und die genaue Berechnung der Mittel- und Brühemenge sind dabei entscheidend. Reichen die vorbeugenden Behandlungen aufgrund eines sehr starken Sporenfluges nicht aus, ist also mit starken Infektionen zu rechnen, werden zusätzlich Kurativmaßnahmen empfohlen. Sie können eine bereits erfolgte Infektion abstoppen. Die „Kurativzeit“ ist temperaturabhängig und reicht maximal 2-3 Tage zurück. Die Mittel dringen in die Pflanze ein. Sie wirken als „Innenfungizide“ und sind daher sehr resistenzgefährdet. Allerdings liegen verbreitet Resistenzentwicklungen vor, wodurch z.B. in den Hauptanbaugebieten diese kurative Behandlungsmöglichkeit nur noch sehr eingeschränkt empfohlen wird. Um Minderwirkungen (Resistenzen) zu vermeiden, ist der Einsatz dieser Präparate auf eine bestimmte Anzahl von Anwendungen pro Jahr begrenzt. Treten die ersten Schorfsymptome in der Anlage auf, sollten kurativ wirkende Mittel nicht mehr eingesetzt werden. Dann gilt es, einen ständigen Belag mit Kontaktmitteln zu halten. Bei schorfresistenten Sorten sollte ein minimiertes Fungizidprogramm gefahren werden: je nach Höhe des Ascosporenausstoßes 3-4 Behandlungen in der Primärsaison, 2-3 Behandlungen im Juli bis September und 1-2 Behandlungen im Herbst gegen Lagerschorf. Dies senkt die Gefahr eines Resistenzdurchbruchs. Je nach Sorte, Standort und Witterung sind weitere Behandlungen gegen die Regenfleckenkrankheit, Apfelmehltau und Marssonina  sinnvoll.

Prognose

Die für eine Schorfinfektion erforderliche Blattnässedauer in Abhängigkeit von der Temperatur wurde erstmals Mitte des 20. Jahrhunderts von MILLS beschrieben. Darauf aufbauend wurden zur Schorfvorhersage sogenannte Prognosemodelle entwickelt, welche in Abhängigkeit von eben diesen Parametern und zusätzlich dem Sporenangebot das voraussichtliche Infektionsrisiko abschätzen. Die geläufigsten sind  „Welte“-Schorfprognose und RIMpro. Zudem ist von den Bundesländern ein weiteres Programm entwickelt worden. Pflanzenschutzämter und Berater nutzen diese Modelle für ihre Warndiensthinweise.